Alternative Überschrift:
Instagram: Deus ex Machina!
oder
Der Autor muss sterben!
Eine Heldenreise in 7 Kapitelchen
Prolog: Damit kommt sie jetzt? Echt?
Ich hebe meine Hand. Hier! Ich! Ich bin ein bekennender Late Adapter: Als Schülerin habe ich mich dagegen gewährt, ein Handy zu bekommen. Ich wollte mich nicht kontrollieren lassen. Wenn ich unterwegs war, wollte ich nicht erreichbar sein. Dann kam das Christkind und setzte meinem Widerstand ein Ende.
Ich habe Sms benutzt, bis wirklich jeder meiner Kommilitonen den Kopf über mich schüttelte und einer sagte: „So geht es nicht mehr weiter! Ich installiere dir jetzt WhatsApp!“ Ich adapte mich dann auch an solche Sachen. Nur eben late. Und auch nicht immer. Ich höre meine Musik von CDs und aus dem Radio. Adapten oder nicht, kann jeder machen, wie er will. Ist ja Privatsache.
Or is it?
„Du bist Autorin?“, fragt die Tochter des Patenonkels meines Mannes, eine hippe Journalistin, im Februar auf einer Feier. „Dann finde ich dich bestimmt bei Instagram.“
„Ja … äh – nein.“ Ich lächle entschuldigend. „Aber! Aber! Ich habs versucht! Ehrlich! Ich habs versucht!“
Und das war so:
Kapitel 1: Durchs Netz gefallen
Ich sitze in der Bahn. Ich war im Verlag in München und habe mir angehört, wie man sich als Autor heute so vermarktet. Und ich denke: Ich tus jetzt. Ich habe genug Jahre und genug Erfahrungen der anderen abgewartet. Ich tus. Ich installiere Instagram auf meinem Smartphone und registriere mich. Ich tus. Jetzt!
Ich tippe meinen Namen ein, meine E-Mail-Adresse, ein Passwort auch, drücke auf „registrieren“ und habe die Rechnung ohne die Bahn gemacht. Oder ohne Deutschland. Oder wem man das in die Schuhe schieben will: „Ihre Interverbindung wurde unterbrochen.“ Ein kleiner Rückschlag. Man kennt das.
Also probiere ich noch einmal, mich zu registrieren, aber dazu sagt Instagram ganz unverblümt: „Diese E-Mail-Adresse ist schon mit einem Konto verknüpft.“
Oh! Die Registrierung hat also noch geklappt, bevor das Internet verschwand. Denke ich. Gut. Ich melde mich an, aber da sagt Instagram ganz unverblümt: „Diese E-Mail-Adresse ist noch nicht registriert.“
Hm, mache ich lautlos in der Bahn sitzend und schaue auf den Bildschirm. Hm, hm. Wohl wissend, dass es gar nichts bringt, versuche ich noch ein paar Mal, mich anzumelden und neu zu registrieren, aber wir wissen es alle: Ich renne im Teufelskreis herum, ohne dabei fitter zu werden.
Kapitel 2: Sterben in der Hoffnung auf Auferstehung
Ich lasse ein paar Monate ins Land gehen in der Hoffnung, dass sich alles von selbst klärt. Updates oder so gemacht werden, oder irgendwelche Cookies gelöscht, ich habe davon keine Ahnung.
Aber leider bleibt der Teufelskreis geschlossen. „Die E-Mail-Adresse ist schon mit einem Konto verknüpft.“ „Die E-Mail-Adresse ist noch nicht registriert.“ Was tun? Die FAQs! Dort kann ich sicher Hilfe erwarten! Es gibt zwei Bereiche, „Ich kann mich nicht anmelden“ und „Etwas funktioniert nicht“. Ich wähle das erste und stelle fest: Die FAQs haben Humor:
„Wenn du der Ansicht bist, dass dein Konto fälschlicherweise deaktiviert wurde, kannst du Einspruch erheben. Öffne dafür die App, gib deinen Benutzernamen und dein Passwort ein und befolge dann die Anweisungen auf dem Bildschirm.“
Das ist doch das Problem, Insta! Dann also das zweite, „etwas funktioniert nicht“. Unter „Bekannte Probleme werden einige Vorschläge aufgeführt. Z.B. „Probleme mit dem Konto“. Hoffungsvoll klicke ich auf den Link, bis ich feststelle: Es ist kein Link. Es ist eine Sackgasse.
AAAAAAH! Ich versuche ruhig zu bleiben. Ich finde heraus, dass man Instagram nicht kontaktieren kann. Eine Bloggerin erklärt warum: Instagram ist auf Masse angelegt, die einzelnen Heinzle sind denen egal. Aber dann finde ich es doch: Ein Formular. Zwar ist das Formular allein und dezidiert nur und ausschließlich für den Fall geedacht, dass der Kontoinhaber (ich) verstorben ist (bin) und das Konto gelöscht werden soll, aber wenn das die einzige Möglichkeit ist, Instagram zu kontaktieren, bitteschön, dann sterbe ich für euch, in der Hoffnung auf Auferstehung.
Kapitel 3: Entschuldigung, ich bin leider doch nicht tot
Hallo,
Vielen Dank, dass du uns kontaktiert hast. Wir haben deine Meldung erhalten. Wir möchten dir unser Beileid aussprechen und danken dir für deine Geduld während dieses Prozesses.
Um in Bezug auf deine Meldung Maßnahmen ergreifen zu können, benötigen wir bestimmte Informationen:
– Den vollständigen Namen des verstorbenen Nutzers
– Den Instagram-Nutzernamen des verstorbenen Nutzers
– Eine Kopie der Sterbeurkunde oder eine Todesanzeige/einen Zeitungsartikel, die bzw. der den vollständigen Namen des verstorbenen Nutzers enthältWenn du uns diese Informationen nicht bereits gegeben hast, hole dies nun bitte nach, indem du auf diese E-Mail antwortest.
Mit freundlichen Grüßen
Das Instagram-Team
Jubel im Hause Kemmeter! Ich habe Kontakt zu Instagram! Jetzt dranbleiben! Wie aber umgehen, mit der Tatsache, dass ich nicht gestorben bin? Am besten einfach drüberweggehen, oder? Mit vielen herzlichen Dankeschöns schicke ich eine E-Mail und berichte von meinem Problem. Die Antwort kommt noch am selben Tag von Romi, die ich gleich sehr liebgewonnen habe, weil ich mal eine Puppe hatte, die so hieß.
Kapitel 4: Annika & Romi der Beginn einer Freundschaft
Hi,
You’ve reached us using a contact form that’s reserved for reporting accounts of people who have passed away. Based on the information you provided, we’re unable to assist you.
To learn how to report something to Instagram, please visit the Help Center:
https://help.instagram.com/372161259539444/?ref=cr
Thanks,
Romi
Facebook Community Operations
Help Center! Witzig! Romi hat auch Humor! Das mag ich. Doch die Lage ist ernst: Wie kann ich Romi dazu bekommen, mir zu helfen? Vielleicht, indem ich mich hilflos aber wahnsinnig freundlich gebe. Mit wahnsinnig meine ich: Wahnsinnig. Harrharrharr, langsam beginnt mir die Sache Spaß zu machen! Ich gebe mich einfach als ihre beste Freundin aus Deutschland aus, die gruseligüberfreundlich ist und komisches Englisch spricht:
Dear Romi,I didn’t know you speak English!
Thank you for your advice. Unluckily I have visited the Help Center several times already – it seems this center doesn’t provide any help in my case.Apparently my case is a dead lock situation which can only be unlocked by instagram, not by me.Just imagine, what happens if I try to register: I get the automatical answer: „Your email address is already connected to another account.“And if I want to sign in with my email address instagram answers: „Your email address is not registered.“
What would you do if you were in my shoes?You also must know that I am an author and my novel will be released in March. I need this instagram account for marketing reasons. I am really so cross at myself that I tried to register while sitting in the Deutsche Bahn, when everybody knows, that in those trains the wifi connection often collapses out of the blue. This must have caused the problem.
Thank you so much for helping me, Romi!
With all the best whishes from Germany
Ich habe so viel von mir preisgegeben. Selbstkritik geübt, meine Lage geschildert. Glaubt einer, dass Romi mich jetzt noch einfach ignorieren könnte? Tja. Sie kann: Der hoffungsfrohe Keim unserer Freundschaft ging nicht auf, sonder vertrocknete in der traurigen Seele des Internets. Dafür schrieb mir Ursula, dass ich wahrscheinlich gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen haben muss. Sonst wäre mein Konto ja nicht gesperrt.
Kapitel 5: Ursula – gute Fee oder Meerhexe?
Ich habe mal wo gelesen, dass Leute einem eher einen Gefallen tun, wenn man ihnen in der E-Mail vorab dankt. Bei meiner Romi hatte das leider nicht geklappt. Aber vielleicht bei Urusla? Ich stellte mir Ursula als eine rundliche, liebe Frau vor, die keinem einen Wunsch abschlagen kann. Eher als die Fee bei Cinderella als die Meerhexe bei Arielle. Sonst hätte ich die Mail wahrscheinlich anders formuliert:
Liebe Ursula,
ich bin so froh, dass du dich meiner Sache annimmst!Wie schon geschrieben, hatte ich noch keine Chance, gegen die Nutzungsbedingungen zu verstoßen, weil ich es noch nie geschafft habe, mich einzuloggen. (Nicht, dass ich überhaupt je gegen Nutzungsbedingungen verstoßen würde: Ich bin ein vorbildlicher Social-Media-Nutzer, du kannst das auf Facebook überprüfen.) Aber wie gesagt, ich konnte mich noch nie einloggen und auch meinen Facebook-Account kann ich nicht mit Instagram verbinden, weil es Probleme mit meiner E-Mail-Adresse gibt. Das Problem ist, dass ich aus beruflichen Gründen dringend einen Instagram-Account brauche.
Ich habe mich natürlich an deinen Rat gehalten und das Formular, dessen Link du mir geschickt hast, ausgefüllt und abgeschickt. Es stand auf der Seite ausdrücklich, man solle sich nur über dieses Formular melden, wenn man sich sicher ist, dass das Konto wegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen deaktiviert wurde. Vielleicht hat sich deshalb niemand bei mir gemeldet?
Der heutige Stand ist jedenfalls noch derselbe wie vor 6 Wochen: Meine E-Mail-Adresse ist schon einem Account zugeordnet, wenn ich mich registrieren will, und ist noch keinem Account zugeordnet, wenn ich mich anmelden will. So jedenfalls der Dialog der Instagram-Seite.
Ursula, ich komme allein nicht weiter! Die Idee mit dem deaktivierten Konto war nicht schlecht, aber wie gesagt, bisher gab es da keine Rückmeldung. Fällt dir noch etwas anderes ein, an dem es liegen könnte? Gibt es Mitarbeiter, die für die Konten zuständig sind? Vielleicht kann da jemand irgendwas an meinem Konto geraderücken? Ich weiß es nicht, aber du bist der Instagram-Profi!
Ich danke dir für deine Hilfe,
deine Annika
Mit Lachtränen in den Augen schicke ich die E-Mail ab und hoffe auf eine liebevolle Zuwendung meiner neuen Freundin Ursula. Wer hätte ahnen können, dass Ursula so unzufrieden mit sich selbst war? In welcher seelischen Krise sie steckte? Und dass sie so schnell die Konsequenzen ziehen würde.
Kapitel 6: Ursula tut, was sie tun muss
Ursula tat das Unvermeidliche: Sie ließ ihr Geschlecht umwandeln und nannte sich fortan nur noch Horst. Horst!
Welches Bild erweckt dieser Name in mir? Ein Mann mit rundem, ausladendem Bauch, Lederhosen drüber, ein Schnauzbart, Bier in der Hand. Er passte gut zur lieben, weichen Ursula. Sie gaben in meinem Kopf ein nettes Pärchen ab. Horsts Antwort war ein Abklopfen, ob ich es wirklich ernst meinte, mit meinem Ansinnen, Instagram beizutreten. Es war die letzte Hürde vor dem Ziel, hoffte ich. Er pokerte hoch und setzte alles auf eine Karte, als er mir vorschlug, mir mal die Hilfe-Seite von Instagram anzusehen:
Hallo,
Um Hilfe bei deinem Problem zu erhalten, besuche bitte den Hilfebereich. Dort findest du Antworten auf viele häufig gestellte Fragen sowie aktuelle Formulare, über die du dich mit uns in Verbindung setzen kannst:
Mit freundlichen Grüßen
Danke, dass du Facebook kontaktiert hast.
Horst
Community Operations
Formulare? Der Mann hatte offensichtlich noch nie selbst den Hilfebereich betreten! Ich überlegte, dass ich mit Horst vielleicht deutlicher sprechen musste. Horst würde kaum meine beste Freundin werden. Aber unpersönlich durfte es auch nicht sein, sonst würde er sich nicht in der Verantwortung fühlen mir zu helfen? Ich formulierte es so:
Lieber Horst,vielen Dank für den liebgemeinten Vorschlag, nach Lösungen auf der Support-Seite zu finden. Die Support-Seite habe ich komplett durchgearbeitet. Keine Hilfestellung trifft auf mein Problem zu:
Während der Registrierung ist die Internet-Verbindung abgebrochen (ich fuhr in einem ICE, während ich mich registrieren wollte). Die Folge: ich kann mich nicht neu registrieren und auch nicht anmelden.
Lieber Horst, wenn du wüsstest, wie oft ich das Probelm schon geschildert habe! Die Antworten von Romi und Ursula kannst du ja im E-Mail-Verlauf sehen.Aber immer wieder zu hören: „Studiere doch mal die Support-Seite!“ deprimiert auf Dauer.
Die Lösung muss wahrscheinlich so aussehen: Meine E-Mail-Adresse müsste komplett aus dem System gelöscht werden, damit ich noch mal versuchen kann, mich zu registrieren. Würde das über die Datenschutzverordnung möglich sein? Wenn ich Instagram bitte, alle meine Daten zu löschen?
Ich hoffe sehr, dass du oder wem auch immer meine E-Mail auf dem Bildschirm erscheint, eine Lösung findest. Wie ich schon deinen Kolleginnen geschrieben habe, brauche ich den Zugang dringend aus beruflichen Zwecken.
Vielen Dank, dass du dich für mich einsetzt,deine Annika
Ich hatte große Hoffnungen in Horst gesetzt. Wenn einer was von Computern versteht, dann doch ein Mann! (Ich weiß auch nicht, warum ich das jetzt geschrieben habe. Aber da steht es, was soll ich tun?) Ich hatte Horst diese hoffnungsfrohe E-Mail mit eigenen kreativen Lösungsansätzen und -vorschlägen am 28. Januar 2020 geschickt. Und ich wartete täglich auf Nachricht von Horst. Irgendwann nur noch auf ein Lebenszeichen. Tage und Wochen gingen ins Land…
It looks like your account was disabled by mistake. Your account has been reactivated, and you should now be able to log in. We’re sorry for any inconvenience.
If you have any issues getting back into your account, please let us know.
Thanks,
The Instagram Team
Diese E-Mail erreichte mich am 11. Feburar au dem Nichts. Perfekter kann man „Deus ex Machina“ nicht in eine Heldengeschichte einbauen. Das Schöne an dem plötzlichen, unvorhergesehenen Eingreifen von Außen: Der Konflikt wird gelöst, das Problem behoben, die Heldin kann auf Instagram zugreifen und ihre Karriere in Schwung bringen, indem sie die Welt mit Fotos zukleistert (Bitteschön, herzlich gerne!).
Das Doofe daran: Die Heldin, aka ich, weiß nicht, was zu dieser Auflösung geführt hat! Waren es die zahlreichen Freundschaftsbekundungen? Die kreativen Löungsideen? Die Drohung mit der Datenschutzverordnung? War es Romi, Ursula oder Horst? Keiner der genannten? Es bleibt das Gefühl der Verunsicherung, der Machtlosigkeit, des Arbiträren. Ich habe, trotz meines Erfolges, das Gefühl, die Schlacht gegen den Riesen verloren zu haben…
(Yes, I’m fishing for aufbauende Kommentare)
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Hach, wie tröstlich! Ich dachte schon, ich wäre der einzige überlebende Neandertaler…
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